Kryonik FAQ
Die häufigsten Fragen und Antworten zur Kryonik
Was ist Kryonik?
Kryonik bezeichnet die Kryokonservierung und Langzeitlagerung von Menschen, die nach heutigem Stand der Medizin als “verstorben” gelten, bei extrem niedrigen Temperaturen (meist unter Verwendung von Flüssigstickstoff bei circa -196°C). Bei diesen extrem niedrigen Temperaturen werden alle biologischen Zerfallsprozesse angehalten und der Sterbeprozess unterbrochen.
Die Hoffnung ist, diese Menschen in einer zukünftigen, technisch weiter entwickelten Zeit wiederbeleben zu können.
Gibt es für Kryonik praktische Beispiele aus der Medizin?
Niedrige Körpertemperaturen spielen in der modernen Medizin auch heute schon eine wichtige Rolle. So kann bei bestimmten Operationen der Herzschlag bis zu einer Stunde angehalten werden, wenn die Körpertemperatur auf bis zu 15 °C abgekühlt wird. Ähnliche Methoden werden bereits routinemäßig in der Notfallmedizin eingesetzt, denn durch die Kühlung benötigen die Zellen weniger Sauerstoff und Nährstoffe, die Durchblutung kann reduziert werden.
Gibt es für Kryonik praktische Beispiele aus der Natur?
Einige Säugetiere praktizieren den Winterschlaf, ein Phänomen, das durch eine signifikante Reduktion der Körpertemperatur sowie eine minimale Herzfrequenz gekennzeichnet ist.
Aber wird das Körpergewebe beim Einfrieren nicht zerstört?
Schäden beim Einfrieren entstehen normalerweise durch Eiskristalle. Bei der Kryonik wird das Gewebe jedoch nicht einfach eingefroren, sondern in einen glasartigen Zustand überführt (Vitrifikation). Dazu werden die Körperflüssigkeiten durch eine spezielle Lösung ersetzt, die bei sehr tiefen Temperaturen fest wird, ohne Kristalle zu bilden. Dadurch wird die Zerstörung der Zellen durch Eiskristalle verhindert.
Lässt sich dieser Zustand wieder umkehren?
Ja, das ist möglich. Beispielsweise haben Fahy et al. eine bei ca. −130 °C vitrifizierte Niere wieder aufgetaut und erfolgreich in ein Kaninchen transplantiert, nachdem dessen andere Niere entfernt worden war. Die transplantierte Niere erholte sich schnell und funktionierte normal, bis sie nach 48 Tagen für weitere Untersuchungen entnommen wurde.
Es ist wichtig anzumerken, dass es bisher noch nicht gelungen ist, einen ganzen menschlichen Körper aus diesem Zustand zurückzuholen.
Warum gibt es keine Berichte über Menschen, die aus diesem Zustand wieder aufgewacht sind?
Die aktuellen Methoden konzentrieren sich darauf, eine möglichst erfolgreiche Vitrifikation zu erreichen und besonders das Gehirn zu schützen. Es gibt verschiedene Forschungsansätze, um Gewebe nach dem Auftauen zu reparieren oder zu ersetzen, wie zum Beispiel Tissue Engineering. Diese Verfahren befinden sich aber noch in einem sehr frühen Stadium. Glücklicherweise müssen diese Technologien zum Zeitpunkt der Konservierung noch nicht perfekt sein.
Wieviele Menschen befinden sich in Kryostase?
Mehr als 500 Personen befinden sich in Kryostase, etwa die Hälfte davon bei der Alcor Life Extension Foundation in Arizona und die andere Hälfte am Cryonics Institute in Michigan (USA). Der erste kryonisch versorgte Mensch war Prof. Dr. James Bedford in 1967. Er ruht nun bei Alcor.
Kann man einfach in ein Kryonik-Institut gehen und sich konservieren lassen?
Rein rechtlich dürfen derzeit nur Personen kryokonserviert werden, bei denen ein Arzt den natürlichen Tod festgestellt hat. Eine kryonische Versorgung kann also erst nach dem Tod beginnen.
Wie lange gibt es die Kryonik schon?
Die Kryonik wird in den USA seit nahezu einem halben Jahrhundert praktiziert und durchgeführt. In Deutschland war die Deutsche Gesellschaft für Angewandte Biostase (DGAB e.V.) Vorreiter für die Informationen über Kryonik. Seit einigen Jahren gibt es mit der Tomorrow Biostasis nun auch einen professionellen Anbieter in Deutschland.
Wie kann man sicher sein, dass Kryonik funktioniert?
Es gibt keine Garantie, dass Kryonik funktioniert. Seriöse Kryonik-Anbieter werden dies auch nicht behaupten. Die rasanten Entwicklungen in Medizin und Technik geben jedoch Anlass zu vorsichtigem Optimismus. Entscheidend ist: wir können nicht wissen, welche medizinischen Möglichkeiten es in einigen hundert Jahren geben wird.
Warum sollte man diese Prozedur an einem toten Körper durchführen?
Die Auffassung, wann jemand als tot gilt, hat sich mit der modernen Medizin immer wieder verändert. Menschen, deren Herz heute aussetzt, können wiederbelebt werden. Auch ein Aussetzen der Gehirnfunktionen bedeutet nicht zwangsläufig das Ende der Persönlichkeit. Kryonik zielt darauf ab, den Sterbeprozess so früh wie möglich anzuhalten und diesen Zustand so lange zu erhalten, bis eine Heilung möglich ist.
Führen nicht schon wenige Minuten ohne Sauerstoff zu Hirnschäden?
Nach einigen Minuten ohne Sauerstoff wird ein Prozess ausgelöst, der erst nach mehreren Stunden zum Absterben von Nervenzellen führt. Dieser Prozess kann mit der heutigen Medizin nicht aufgehalten werden. Kryonik unterbricht diesen Prozess jedoch.
Aber einen klinisch toten Körper kann man doch nicht wieder zum Leben erwecken, oder?
Die jüngsten Erfahrungen zeigen: Der Begriff „klinisch tot“ ist eigentlich irreführend. So war Anna Bågenholm nach ihrem Sturz in einen zugefrorenen Fluss mehrere Stunden klinisch tot (ohne Herz- und Hirnaktivität). Heute ist sie so lebendig wie vor dem Unfall. Wir können nicht wissen, welche medizinischen Möglichkeiten es in einigen hundert Jahren vielleicht geben wird.
Wenn ich den Tod als natürlich akzeptiere, kann ich nichts mit Kryonik anfangen, oder?
Es kommt darauf an, ob damit auch eine grundsätzliche Ablehnung lebensrettender und lebensverlängernder Maßnahmen verbunden ist. Die Kryonik versucht letztlich einen Krankentransport durch die Zeit.
Wendet man sich damit nicht gegen sein vorbestimmtes Schicksal?
Widersetzt man sich seinem vorbestimmten Schicksal, wenn man sich jahrelang der Dialyse unterzieht, weil noch kein passendes Spenderorgan zur Verfügung steht? Letztlich kommt es darauf an, wo jeder für sich die Grenze zieht.
Ist Kryonik in Deutschland verboten?
Nein. Kryonik ist eine Körperspende und damit legal.
Ist Kryonik nicht nur Geldmacherei?
Die Mittel für die Kryokonservierung dienen zur Deckung der kurzfristigen Kosten für die Erstversorgung und – durch Anlage des Geldes und Nutzung der Zinsen – der langfristigen Kosten für die Lagerung.
Alle großen Kryonik-Anbieter dürfen aufgrund ihrer Gesellschaftsform keinen Profit mit der Langzeitlagerung erwirtschaften. Auch dürfen die Angestellten von Non-Profit-Organisationen kein übermäßig hohes Einkommen haben.
Ist Kryonik nicht egoistisch?
Wer diese Frage stellt, sollte sich auch die Frage stellen, ob das Rettungswesen und die allgemeine medizinische Versorgung insgesamt nicht egoistisch sind.
Bevorzugt Kryonik das bestehende Leben vor dem ungeborenen Leben?
Nein. Kältetechniken kommen auch dem ungeborenen Leben zugute. Anstatt überzählige Embryonen zu töten, können sie kryokonserviert werden.
Trägt Kryonik zur Überbevölkerung bei?
Nein. Studien zeigen, dass die steigende Lebenserwartung nur ein moderates Problem darstellt. Außerdem werden es die Menschen der Zukunft sein, die darüber entscheiden, ob Kryoniker wiederbelebt werden oder nicht. Sollte es also tatsächlich zu einer Überbevölkerung kommen, werden die Kryoniker einfach nicht wiederbelebt.
Was passiert, wenn bei der Lagerung der Strom ausfällt?
Kryopatienten werden nicht im Kühlschrank, sondern im Dewargefäß oder im Kryostaten gelagert. Benötigt wird lediglich flüssiger Stickstoff. Dieser ist günstig in der Anschaffung und muss nur alle paar Wochen nachgefüllt werden.
Warum lassen manche Kryoniker nur ihr Gehirn konservieren?
Einige Kryoniker gehen davon aus, dass das Gehirn die gesamte Persönlichkeit beherbergt und der Rest des Körpers in Zukunft ersetzt werden kann.
Würde ein Körper in flüssigem Stickstoff nicht über die Jahrhunderte verwesen?
Mit Hilfe der Arrhenius-Gleichung kann jeder selbst berechnen, dass ein beliebiger chemischer Prozess, der bei Raumtemperatur eine Sekunde dauert, in flüssigem Stickstoff (-195,79 °C) etwa 25 Millionen Jahre benötigt.
Warum sollten mich Menschen in der Zukunft heilen?
Die Entscheidung, ob Kryoniker wiederbelebt werden oder nicht, liegt bei den Menschen der Zukunft. Diese werden sich nur dann für eine Wiederbelebung entscheiden, wenn sie die Technik und auch die Ressourcen dafür haben. Das setzt einen gewissen Wohlstand voraus. Insofern können wir mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass es den Menschen der Zukunft sehr gut gehen wird, wenn sie sich für eine kryonische Reanimation entscheiden.
Was, wenn die Menschen in der Zukunft mit wichtigeren Problemen zu kämpfen haben?
Man würde einfach weiterhin alle paar Wochen etwas Stickstoff nachfüllen. Die Patienten haben viel Zeit, bis die für ihre Genesung notwendigen Ressourcen zur Verfügung stehen.
Gibt es denn Mediziner unter den Kryonikern?
Ja, unter den Kryonikern sind Mediziner und andere Akademiker.
Wenn das alles so toll ist, warum entscheidet sich fast niemand für Kryonik?
Hierzu gibt es noch keine gesicherten Erkenntnisse. Es scheint jedoch naheliegend anzunehmen, dass die meisten Menschen den Tod als großes Tabuthema empfinden und sich – unterbewusst – aktiv dagegen wehren, sich mit diesem Thema auseinander zu setzen. Daher kommen sie auch mit Alternativen wie der Kryonik kaum in Berührung.
Ist das nicht alles unbezahlbar?
Nein. Die Finanzierung der Kryonik erfolgt in der Regel über eine Lebensversicherung.
Und wer würde die eventuelle Heilung in der Zukunft bezahlen?
Üblicherweise wird ein Teil der Gebühren einer kryonischen Behandlung für diesen Zweck angelegt.
Wie würde ich mit den Veränderungen in der Zukunft zurechtkommen?
Es ist wahrscheinlich, dass für wiederbelebte Kryoniker zunächst geeignete Rehabilitationsmaßnahmen durchgeführt werden, um sie allmählich an die Veränderungen zu gewöhnen.
Angenommen, ich wache Jahrhunderte später auf. Dann kenne ich doch niemanden mehr?
Je mehr Menschen sich für die Kryokonservierung entscheiden, desto mehr Menschen können sich in der Zukunft wieder treffen, dies auch üer Zeitgrenzen hinweg. Beispielsweise könnte eine Person so lange in der Kryokonservierung belassen werden, bis ihr nahes Umfeld (Familie, Freunde, Vereinskollegen usw.) ebenfalls geheilt werden kann.